Konzepte zur emotionalen Kompetenz

Prof. Dr. Wolfgang Seidel, Sindelfingen

Temperamente

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Inhaltsverzeichnis

 

Home - Willkommen

 

1.Emotionspsychologie

1.1    Emotionen

1.1.1    emotionale Intelligenz

1.2    emot. Kompetenz

1.2.1     Referat zur Kompetenz

1.3   Motivationen

1.3.1    Modulation

1.3.2    Charakter

1.4   Temperamente

 

2 Psychologie-Themen

2.1   Intelligenz

2.2  Odptimismus und Gewissen

 

3 Vorträge aktuell

3.0  Videos von Vorträgen

3.1   Burnout

3.1.1   Bo.Info

3.2   Lebensqualität

3.3   Chancen durch Emotionen

3.4   Team und Führung

3.5   Freiheit wozu

3.6   freier Wille

3.7   Intelligenz

3.8   Lehrerseminar

3.9   Personalentwicklung

3.10  medizinische Berufe

3.10.1   Empfehlung

3.11  Sozialpädagogik

 

4 Vortrags-Planung

4.1   Das richtige Programm

 

5 Meine Bücher

5.1    Der Ratgeber

5.1.1    Inhaltsangabe

5.1.2    Pressespiegel

5.2   Krankenhaus

5.2.1   Inhaltsverzeichnis

5.2.2    Vorwort

5.2.3    Schlussbetrachtung

5.3   ethisches Gehirn

5.3.1    Leseprobe

5.3.2   Strafjustiz

5.4   Burnout

5.4.1    Schlusskapitel

5.4.2   Burnout Leseproben

5.5   Der informierte Patient

5.5.1      Textproben

 

6 Literaturempfehlung

 

7 Kontakt

7.1   Impressum

Stichworte

Viele Stichworte wurden mehrfach behandelt . Zusätzliche Informationen erhält man durch anklicken von “ X”

 

Abwägen

Alter, gefühltes

Angst

Arbeitsspeicher

angeborene Bedürfnisse; X

Automatismen

Begabung

Belohnungszentrum

Berufswahl; X

Bewertungssystem; X

Bewusstsein

Burnout-Syndrom

Burnout, Vorbeugung

Charakter

Depression; X

Determinismus

Egoismus

eigener Wille

Einstellungen; X; X

Emotionen, primäre; X

emotionale Intelligenz; X

Empathie; X

Empfindungen

Entscheidung

Erfahrung; X

Ethik

Flow

freier Wille

Führungsfehler; X

g-Faktor

Gefühlsqualität

Gehirnschäden

Gewichtung

Gewissen

Innere Emigration; X

Intelligenz; X; X

Intelligenz, interpersonale

Körpergefühl

Kompetenz, X; X

Kommunikation

Lebensqualität; X

Lernen; X

Marker, emotionale; X

Marshmallow-Test

Menschenkenntnis

Motivation, gerichtete; X

Motivation, ungerichtete

multiple Intelligenz

Optimismus; X; X

Persönlichkeit

Reflex

Selbstbeherrschung; X; X; X

Selbstkritik

Selbstwertgefühl

Soziale Kompetenz; X

Soziopsychologie

soziale Stile

Spiegelzellen; X

Stimmung; X; X

Stress; X

Subjektivität, X; X

Sympathie

Teamfähigkeit; X

Temperament; X

Verantwortung; X; X

Verhalten ändern; X

Weltbild, inneres

Willensbildung

Wohlbefinden

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    Temperamente

Zur Besprechung der Temperamente entnehme ich Teile aus dem entsprechenden Kapitel 8 aus meinem Buch “Burnout”. Zur Sprache kommen

 

 

           

 

 

1. Das Regulationsmodell

 

Im Altertum und Mittelalter waren die Temperamente ein interessantes Thema, wenn man die Menschen charakterisieren und die Unterschiede zwischen ihnen herausstellen wollte. Man unterschied zwischen Cholerikern, Sanguinikern, Melancholikern und Phlegmatikern. Diese Bezeichnungen sind als – weitgehend angeborene – Verhaltensstile bis in die Neuzeit beibehalten worden. Heute versucht man, diese Einteilungen nach Merkmalen wie Aktivität, Reaktivität, Emotionalität und Soziabilität zu vervollkommnen.

Man kann die Temperamente aber auch modern als übergeordnete Regulationsfunktionen für Psychomechanismen wie Gefühle, Stimmungen oder Motivationen auffassen, die die Ausprägung von Persönlichkeitsvarianten überwachen. Man hat sie verglichen mit einer generellen Schaltfunktion für die Lampen eines großen Raumes: Jede Lichtquelle kann man zwar gesondert bedienen, aber die  Zentrale kann alle zusammen mehr oder weniger dimmen oder auf größte Helligkeit einstellen. Die Temperamente sorgen gemäß dieser Theorie also dafür, dass die vielerlei Ausdrucks- und Reaktionsmöglichkeiten des Menschen harmonisiert werden, dass sie also alle zusammen einigermaßen einheitlich ablaufen, gemeinsam ein aktuelles Ziel anstreben.

     p1k5 Temperament Prinzip 

 Abb. 1: Man kann sich das Temperament als eine vorgeschaltete Regelfunktion vorstellen (Regler in der Stromzufuhr oben links), die für alle nachgeordneten Einzelfunktionen das  prinzipielle Niveau  vorgibt. Im Rahmen dieser Vorgabe können dann die einzelnen Aktivitäten stärker oder schwächer eingestellt sein.

 

 

           

 

2.  Es gibt wenigstens drei Dimensionen des Temperaments

Bald zeigte sich aber, dass auch dieses Modell in der Realität Schwierigkeiten macht. Es ergeben sich wenigstens drei Ebenen der Regulierung von Persönlichkeitsmerkmalen. Da ist zunächst die Ebene zwischen den Extremen "extravertiert" und "introvertiert". Das Individuum kann man im Vergleich mit den Mitmenschen auf einer Skala einordnen, die beispielsweise von südländischer Offenheit und Lebensfreude bis zu nordländischem Ernst und bis zu Schwermut reichen kann. Im Rahmen der individuellen Tagesform kann eine Person ihr Verhalten ebenfalls in gewissen Grenzen zwischen den beiden Eckpunkten verändern.

Eine zweite Dimension kann man zwischen den Extremen "keck" und "schüchtern" anordnen. Einer der Befunde aus Untersuchungen über diese Ebene ist für unser Thema interessant: Man kann aus dem Hirnstrombild von Kleinkindern schon vor Vollendung des ersten Lebensjahres ablesen, ob das Kind später schüchtern sein wird. Und schon im Untersuchungsraum konnte der Untersucher voraussagen, ob das Kind schreien würde, wenn die Mutter kurz den Raum verlässt. Auch diese Temperamentslage ist angeboren. Schüchterne Menschen haben in unserer Zivilisation Nachteile. Aber man hat zeigen können, dass man die Schüchternheit überspielen kann. In einem konsequenten Programm mit vielen Einzelaufgaben, deren Schwierigkeitsgrad sich langsam steigerte, der aber immer zu meistern war, hat man in den Kindern viele Erfolgserlebnisse erzeugt und gleichzeitig ihr Wissen und ihre Fertigkeiten deutlich über den Durchschnitt Gleichaltriger gesteigert. Ihr Selbstwertgefühl war bald so hoch, dass die Schüchternheit in den meisten Lebenssituationen als überwunden gelten konnte.

Auch beim Burnout-Betroffenen mag es in manchen Fällen noch möglich sein, das Selbstwertgefühl mit Hilfe von Erfolgserlebnissen wieder aufzubauen. Voraussetzung ist natürlich, dass vorher alle wichtigen Stressoren ausgeschaltet sind. Ein Job- und/oder Ortswechsel ist daher meist zweckmäßig.

Eine dritte Dimension im Bereich der Temperamente hat ebenfalls Konsequenzen für das Burnout-Problem. Gemeint ist die Ebene Optimismus – Pessimismus. Sie fällt allerdings aus dem Schema der bisher geschilderten Temperamente insofern heraus, als Optimismus und Pessimismus nicht die Endpunkte einer linearen Variabilität zu sein scheinen. Wenn jemand immer weniger optimistisch werden würde, würde er nicht schließlich pessimistisch. Es geht bei Optimismus und Pessimismus zwar auch um Lebensgefühle, aber formal auch um zwei verschiedene Konzepte der Zukunftsplanung, während die beiden vorher geschilderten Temperamentsebenen sich mit der Gestaltung des aktuellen Verhaltens befassen und deswegen viel eher als eine Regelung der Stimmungen zu deuten sind.

 

 

                                                                                     

 

 

3.  Optimisten sind erfolgreicher, Pessimisten kritischer

Optimisten bezeichnet man als erfolgsorientiert. Sie streben den Erfolg an und haben auch nachweislich mehr Erfolge als Nicht-Optimisten. Zu den Optimisten dürften viele jener Burnout-Betroffenen zu rechnen sein, bei denen anfangs eine Hyperaktivitäts-Phase aufgefallen war. Optimisten machen Pläne, leben geistig in der Zukunft und sind fröhliche Menschen, weil sie sich schon über die Erfolge freuen, die sie hoffentlich später haben werden. Sie sind aber auch zufriedener als andere, weil sie anlagemäßig jeweils die positiven Aspekte der aktuellen Situation suchen. Sie "denken positiv". Das Extrem ist der Illusionist, der "mit beiden Füßen fest in den Wolken" steht, also ständig Luftschlösser baut – und dann entsprechende Misserfolge einstecken muss. Zu wenig Selbstkritik, die ihnen fehlt, ist offenbar ein Nachteil. Ihnen fehlt eine gesunde Bremse, nämlich ein wenig Pessimismus.

Pessimisten werden charakterisiert als misserfolgsorientiert. Sie suchen in erster Linie Misserfolge zu vermeiden. Sie sind folglich immer der Risiken gewahr, die entstehen könnten. Sie sind die typischen "Bedenkenträger" und daher überwiegend ernst bis missmutig. Das Extrem dieser Gruppe ist der Kunktator, der Zauderer, der vor lauter Risikokalkulationen kaum ein Projekt beginnt und natürlich auch nicht so oft Erfolge hat. Aber weil sie zögerlich Gefahren vermeiden, weichen die Pessimisten bis zu einem gewissen Grade auch dem Stress aus.

Die Leserinnen und Leser werden Schwierigkeiten haben, sich ausschließlich in die eine oder die andere Kategorie einzuordnen. Sie haben in der Vergangenheit mal mehr in die eine, dann mehr in die andere Richtung tendiert. Offenbar haben wir es mit zwei prinzipiell unterschiedlichen Denkprinzipien zu tun, von denen das Individuum je nach aktueller Lebensstrategie Gebrauch machen kann, die aber in unterschiedlicher Stärke angelegt sind und entsprechend die Persönlichkeit charakterisieren. So meine ich zum Beispiel, dass ein Chirurg beide Anlagen gut ausgeprägt mitbringen muss: Ohne einigen Optimismus kann er eine schwierige und verantwortungsvolle Operation gar nicht beginnen. Er muss an den Erfolg glauben und dem Patienten, der das ja spürt, Mut machen. Aber er muss vor und während seiner Arbeit alle Risiken auszuschließen trachten. Beides muss er grundsätzlich anstreben, also nicht nur, wenn er sich das grade vornimmt. Beim Burnout-Betroffenen kann anfangs die optimistische Tendenz häufiger vorkommen. Im Verlauf des Prozesses gewinnen dann aber die Kritik und überhaupt eine pessimistische Einstellung den Vorrang.

Die Strategie der Optimisten ist: "positiv denken"

Der Psychologe M. Seligman hat Optimisten vielfach untersucht. Er hat für deren Erkennung Fragebogen ausgearbeitet. Als eines der auffallenden Kriterien fand er, dass Optimisten zwar größere Risiken eingehen mit der typisch optimistischen Einstellung "es wird schon alles gut gehen" und daher nicht selten Misserfolge haben, dass sie damit aber sehr gut fertig werden. Das konnte er dadurch erklären, dass Optimisten sich ganz überwiegend mit denjenigen Ursachen ihrer Misserfolge beschäftigen, die sie selbst zu vertreten haben. Sie lernen dann daraus. Wer sich nach seinem Versagen über die Politik und das Wetter oder über die Einflussnahme anderer Menschen Gedanken macht, die nachteilig, aber nicht zu ändern sind, ärgert sich unnötig und vertut nur Zeit. Wer sich andererseits in unproduktiven Schuldzuweisungen verstrickt, entwickelt unnötige Aggressionen oder Frustrationen. Sie behindern seinen Gedankenfluss, drücken seine Stimmung und reduzieren seinen Erfolg. Das ist dann aber Temperamentssache und kein Burnout.

Es geht hier – wohlgemerkt – nur um die eigenen Misserfolge. Optimismus wird dadurch zu einer Frage der positiv tendierenden Selbstkritik. Allen Gesunden kann man nur raten, sich diese vernunftgesteuerte Selbstkritik anzugewöhnen. Man muss also den eigenen Fehlern offen ins Auge sehen, weil man daraus am meisten lernen kann. Alle Schuld der "Schicksals" oder anderer ist demgegenüber zweitrangig.

Den vom Burnout Betroffenen möchte man eine Strategie wünschen, mit der sie leicht über Misserfolge hinwegkommen, ohne sie einfach zu verdrängen. Nun liegt ein gewisses Risiko darin, einem Burnout-Gefährdeten die vorrangige Beschäftigung mit den eigenen Fehlern nahezulegen. Wir hatten ja diskutiert, dass aus seiner Selbstkritik leicht die Selbstzweifel erwachsen können, die dann sein Selbstwertgefühl erschüttern. Äußerst wichtig ist also, gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass es bei jeder Selbstkritik darum gehen muss, besser werden zu wollen. Man muss darlegen, dass die Analyse des eigenen Missgeschicks gezielt angezeigt und sinnvoll ist, um Erfahrung zu sammeln, um sicherer zu werden, letztlich um das Selbstbewusstsein nachhaltig zu stärken. Diese Umdeutung der Situation ist eine allgemein bewährte Taktik des sogenannten problemorientierten Copings, also eine Bewältigungsstrategie, die nun gezielt auf die Selbstzweifel ausgerichtet werden soll.

Übrigens wurde beim Temperament auch eine Achse stabil – labil als vierte Ebene vorgeschlagen. Die Burnout-Betroffenen würden dieser Theorie nach ihre Stabilität verlieren, unsicher werden und aus eigener Kraft nicht zurückfinden. Damit ist aber nur eine neue Unbekannte eingeführt, die uns beim Bemühen um Hilfe nicht weiter bringt.

Es ist offensichtlich, dass dem Gefährdeten häufig ein erfahrener Coach zur Seite stehen sollte. Das Feld der Erfolgs- und Misserfolgsorientierung und der jeweils aufkommenden Kritik und Zweifel ist weit und ist interessant. Es ist aber auch riskant, weil Selbstkritik schwer zu kontrollieren ist. Wir hatten schon betont: Kritik ist offen für Änderungsvorschläge, Skepsis kaum noch. Zweifel sind es dann nicht mehr.

 

 

 

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